11.01.2021 — Luise Neuhaus-Wartenberg: Fokus auf die Schwächsten — Bildungsgerechtigkeit wichtiger denn je!

Mit Beteili­gung von Luise Neuhaus-Warten­berg, bil­dungspoli­tis­che Sprecherin der Frak­tion DIE LINKE im Säch­sis­chen Land­tag, ver­ständigten sich Bil­dungspoli­tik­erin­nen und Bil­dungspoli­tik­er der LINKEN in Deutsch­land erneut auf ein Posi­tion­spa­pi­er:

„Der erste Lock­down hat gezeigt, dass die sozialen Fol­gen von Schulschließun­gen beträchtlich sind. Das Kul­tus­min­is­teri­um hat nach der ersten Welle aus­re­ichend Zeit gehabt, aus den Fehlern zu ler­nen und entsprechende Konzepte vorzule­gen. Es ist „fünf nach zwölf“ und es muss drin­gend gehan­delt wer­den, um die sozialen Fol­gen von Schul- und Kitaschließun­gen abzufed­ern. Kinder aus benachteiligten Fam­i­lien gehören jet­zt in den Fokus von sozialen und bil­dungspoli­tis­chen Maß­nah­men. Ihr Recht auf Bil­dung und Teil­habe muss voll­ständig gewährleis­tet wer­den.

Die häus­liche Lernzeit ver­schärft die sozialen Ungle­ich­heit­en im Bil­dungswe­sen drama­tisch. Wer zu Hause keine opti­malen Bedin­gun­gen hat, muss in der Schule ler­nen kön­nen. Es muss drin­gend in die dig­i­tale Infra­struk­tur investiert wer­den, um die Möglichkeit von Hybrid-Unter­richt an allen Schulen in Sach­sen zu ermöglichen. Erst wenn alle Schüler und Lehrer diese Möglichkeit­en nutzen kön­nen, ist Wech­selun­ter­richt wirk­lich sin­nvoll. Päd­a­gogik lebt vom Beziehungs­geschehen zwis­chen Lehren­den und Ler­nen­den. Wer zu Hause keine opti­malen Bedin­gun­gen hat, braucht beson­dere Aufmerk­samkeit und Unter­stützung. Die Coro­na-Krise zeigt deut­lich, wie ungerecht und auss­chließend unser Bil­dungssys­tem ist. Dabei ließe sich sog­ar in dieser Krise die drin­gend benötige Verbesserung der Bil­dungsqual­ität mit dem Ziel der Bil­dungs­gerechtigkeit ans­teuern. Schule muss endlich zu einem Ort der bre­it­en und tiefen Bil­dung wer­den.“

Das kom­plette Papi­er find­en Sie hier:

Bil­dung ist ein Lebens­mit­tel — auch in Pan­demiezeit­en

Die hohen Infek­tion­szahlen haben bun­desweit erneut für einen harten Lock­down gesorgt. Dieser bet­rifft auch wieder die Schulen, tausende von Lehrkräften und Mil­lio­nen von Schüler:innen und deren Eltern. Bund und Län­der haben eigentlich seit der ersten Welle aus­re­ichend Zeit gehabt, einen Plan B vorzule­gen und aus den Fehlern des let­zten hal­ben Jahres zu ler­nen. Eigentlich. Gel­ernt wurde von den Regierun­gen viel zu wenig. Es ist nun­mehr schon fünf nach zwölf. Gehan­delt wer­den muss drin­gend, um den Schüler:innen gute Bil­dung trotz Coro­na zu ermöglichen. Die aktuelle Diskus­sion beschränkt sich auf die Posi­tio­nen „Schule auf“ oder „Schule zu“. Dabei ließe sich sog­ar in dieser Krise die drin­gend benötige Verbesserung der Bil­dungsqual­ität mit dem Ziel der Bil­dungs­gerechtigkeit ans­teuern. Schule muss endlich zu einem Ort der bre­it­en und tiefen Bil­dung wer­den. Denn: Bil­dung ist mehr als das Abar­beit­en von Lehrplä­nen, mehr als Kom­pe­ten­z­train­ing. Das durch die PISA-Stu­di­en angestoßene „Bulim­iel­er­nen“ für Prü­fun­gen, Abschlüsse und Schulleis­tungsver­gle­iche ste­ht einem emanzi­pa­torischen Bil­dungsver­ständ­nis ent­ge­gen, das auf Selb­st­ständigkeit, Mit­men­schlichkeit, Ver­nun­ft­fähigkeit sowie auf unab­hängiges und kri­tis­ches Denken aus­gerichtet ist. Junge Men­schen sollen gefes­tigte und (selbst-)reflektierende Per­sön­lichkeit­en, also mündi­ge Bürger:innen wer­den. Bil­dung darf nicht länger auf eine Anpas­sungsleis­tung an Arbeits­mark­tan­forderun­gen reduziert wer­den. Die Coro­n­akrise bietet die Chance, den jahre­lan­gen Umbau der Schul­bil­dung nach ökonomis­chen Prinzip­i­en zu stop­pen und darüber nachzu­denken, worum es bei Bil­dung eigentlich gehen sollte.

Schule muss als Lern- und Erfahrungsraum zugänglich sein!

Schule ist ein ele­mentar­er Leben­sraum für Kinder und Jugendliche, ein wichtiger Bil­dungs- und Kom­mu­nika­tion­sort. Schüler:innen müssen die Möglichkeit haben, sich in ihrer Schule in kleinen Grup­pen und unter Wahrung aller Vor­sichts­maß­nah­men zu tre­f­fen und aus­tauschen zu kön­nen. Das soziale Miteinan­der mit den Schulfreund:innen darf auch während des Lock­downs nicht vol­lkom­men ver­loren gehen. Dafür brauchen wir nicht nur Lehrer:innen, son­dern auch Sozialarbeiter:innen und andere päd­a­gogis­che Fachkräfte.

Nehmt den Druck raus! Bil­dung und Ler­nen sind wichtiger als Prü­fun­gen!

Dieses Schul­jahr wird defin­i­tiv kein Nor­males sein. Für Schüler:innen und Lehrkräfte bedeutet Coro­na eine enorme Belas­tung. Jet­zt immer noch den Schw­er­punkt auf Prü­fun­gen und Leis­tungs­be­w­er­tun­gen (Klausuren, etc.) zu leg­en, täuscht einen Regelun­ter­richt vor, der der Aus­nahme­si­t­u­a­tion in den Schulen nicht entspricht. Der hohe Prü­fungs­druck gegenüber den Schüler:innen ist nicht zu recht­fer­ti­gen. Alter­na­tiv­en zu Prü­fun­gen und Noten­be­w­er­tun­gen sind jet­zt notwendig. Es ist wichtig, auch in Coro­na-Zeit­en möglichst viel zu ler­nen, aber es ist nicht wichtig, möglichst viel zu prüfen.

Fokus auf die Schwäch­sten!

Der erste Lock­down hat gezeigt, dass die sozialen Fol­gen von Schulschließun­gen beträchtlich sind. Kinder aus benachteiligten Fam­i­lien gehören jet­zt in den Fokus von sozialen und bil­dungspoli­tis­chen Maß­nah­men. Ihr Recht auf Bil­dung und Teil­habe muss ernst genom­men wer­den. Home­school­ing ver­schärft die sozialen Ungle­ich­heit­en im Bil­dungswe­sen drama­tisch. Wer zu Hause keine opti­malen Lern­möglichkeit­en hat, muss in der Schule ler­nen kön­nen. Für Unter­richt in Teil­präsenz mit der Möglichkeit der Teil­nahme aus dem Home­school­ing (Hybrid-Unter­richt) müssen die Inter­net­zugänge und die dig­i­tale Ausstat­tung der Schulen und der Schüler:innen verbessert wer­den. Neben der Ausstat­tung mit Dig­i­tal­tech­nik bedarf es auch ein­er stärk­eren Betreu­ung durch päd­a­gogis­che Fachkräfte. Denn: Päd­a­gogik lebt vom Beziehungs­geschehen zwis­chen Lehren­den und Ler­nen­den. Kein dig­i­tales Lern­pro­gramm, kein Beschulen aus der Ferne kann das voll­ständig erset­zen. Wer zu Hause keine opti­malen Lern­möglichkeit­en hat, braucht beson­dere Aufmerk­samkeit und Unter­stützung. Die Politiker:innen, die jet­zt plöt­zlich das Wort der Bil­dungs­gerechtigkeit im Mund führen, recht­fer­ti­gen damit ihren Weg des „Weit­er so“ zurück in ein ungerecht­es, auss­chließen­des und abw­er­tendes Bil­dungssys­tems der Klas­sen­ge­sellschaft.

Kreative Konzepte statt plan­los­er Not­be­treu­ung!

Außer­schulis­che Ler­norte und das Ein­binden von Kun­st- und Kul­turschaf­fend­en und Handwerker:innen machen die ganze äußere Welt zu einem Lern­raum. Hier kön­nen Schüler:innen einen beson­deren Prax­is­bezug erfahren, denn außer­schulis­che Bil­dungsange­bote erweit­ern den Unter­richt durch sinnlich wahrnehm­bare Erfahrun­gen. Ler­nen an anderen Orten mit anderen Men­schen aus der Prax­is wie zum Beispiel Kun­st- und Kul­turschaf­fende, Handwerker:innen etc. ermöglicht auch, kleinere Lern­grup­pen zu bilden, die sich an den Bedürfnis­sen der einzel­nen Schüler:innen ori­en­tieren. Dadurch kön­nen auch die notwendi­gen Hygien­evorschriften bess­er umge­set­zt wer­den. Museen, The­ater, Gale­rien, kleine Werk­stät­ten, Plan­e­tarien, Zoos und soziale Zen­tren – all dies liegt derzeit brach und kön­nte genutzt wer­den. Außer­schulis­che Ler­norte kön­nen eine echte Alter­na­tive zur Not­be­treu­ung und wochen­langem Home­school­ing sein.

Beteili­gung durch Runde Tis­che!

Schulen und Schul­ge­mein­schaften: Expert:innen der Prax­is, Schul­ge­mein­schaften, Lehrer:innenverbände, Elternvertrer:innen, Schülerkam­mern, Fachver­bände, Elternini­tia­tiv­en – alle kön­nen dazu beitra­gen, dass Kinder und Jugendliche in dieser Krise Rück­halt und Bestärkung find­en. Sie dür­fen keinen dauer­haften Schaden nehmen. Dafür sollen diese Inter­es­sen­grup­pen mit den Behör­den an Run­den Tis­chen sin­nvolle Wege disku­tieren und entschei­den, die dem Recht der jun­gen Men­schen auf Bil­dung und der Notwendigkeit des Gesund­heitss­chutzes für alle an schulis­ch­er Bil­dung Beteiligten Rech­nung tra­gen. Ziel ist es, eine gemein­same Lösung zu find­en, die ins­beson­dere die Bedürfnisse der Schüler:innen in den Blick nimmt.

Eine Schule für alle, demokratisch, inklu­siv, sozial gerecht!